Valle Verzasca

Panormablick auf Sonigno im Valle Verzasca Tessin Schweiz

Die größte Faszination im Tessin sind für mich die landschaftlichen Kontraste. An den Seen pulsiert das Leben. Die Piazzas und Uferstraßen sind gesäumt von Palmen und geschäftigen Menschen. Schiffe ziehen ihre Bahnen unter strahlend blauem Himmel, umgeben von einer grandiosen Bergkulisse. Dieses unglaublich warme mediterrane Gefühl, ein Espresso im Straßencafe mit Blick auf den See. Die Piazza die Riforma im Herzen Luganos. Hier finden im Sommer viele Veranstaltungen statt. Ein Beispiel ist das jährliche Jazz Festival mit vielen bekannten Größen aus der Musikwelt.

Ganz im Gegensatz dazu stehen die ursprünglichen, teils noch wilden Täler ganz in der Nähe der Seen. Das bekannteste ist wohl das Valle Verzasca. Es erhielt seinen Namen durch die intensive smaragdgrüne Farbe des Flusses der das 25 Kilometer lange Tal durchzieht und letztlich im Lago Maggiore mündet. Verde ist das italienische Wort für Grün. Oberhalb von Locarno führt die Straße in wenigen engen Kehren hinauf zum Taleingang. Schnell noch einmal zurückblicken auf den sich in der Sonne spiegelnden Lago Maggiore und die Palmen am Straßenrand. Wenige Kurven später beginnt eine ganz andere, eine wilde Landschaft. Tiefgrüne Wälder, hartes Felsgestein und eine angenehme Kühle machen sich breit.

Ein paar hundert Meter nach dem Taleingang erhebt sich eine massive, graue Wand aus dem Wald. Nach dem nächsten Tunnel lässt sich Beton erkennen und die Wand wirkt unheimlich, beinahe bedrohlich. Es ist eine 220 Meter hohe Staumauer die den Fluss Verzasca hier zum Lago di Vorgono aufgestaut. Ein Stück weiter kann man kurz vor dem nächsten Tunnel auf der linken Seite parken und die Staumauer besuchen. Lediglich der Parkplatz ist gebührenpflichtig, der Zugang zum Damm ist kostenlos. In der Mitte der Mauer nach unten blickend, stellt sich bei mir immer wieder dieses mulmige Gefühl im Unterbauch ein. Kaum verstehen kann ich die wagemutigen Bungee Springer, welche sich kopfüber, nur an den Füßen befestigt ins Tal stürzen. Die Veranstalter nennen es den 007 Jump. In der Anfangsszene des James Bond Films “Golden Eye” stürzt sich Pierce Brosnan als Bond in die Tiefe. Für 255 Schweizer Franken Sprunggeld kann man das erleben. Ein Beispiel: Video: Bungee Jump James Bond – Switzerland

Ein Stück weiter das Tal bergauf, am Ufer des Sees entlang erscheint Vorgono, der erste größere Ort im Tal. Kurz hinter dem Ortsschild endet der Stausee und der Fluss Verzasca verändert das Bild der Landschaft. Eine Besonderheit des Tales ist das malerisch am linken Hang liegende Dorf Corippo. Ein Besuch lohnt sich! Es zeigt sehr eindrücklich wie das frühere Leben der Menschen in den abgelegenen Tessiner Tälern war.  Es führt zwar eine schmale Straße hinauf, allerdings gibt es sehr wenige Parkplätze im Ort. Auch das wenden vor der Kirche bedarf ein wenig Anstrengung. Der Fußweg ins Dorf ist nicht sehr weit und man tut etwas für die Gesundheit. Leider ist es nicht ganz einfach einen Parkplatz nahe der Hauptstraße zu finden. Die einfachste Möglichkeit das Dorf zu erreichen ist in Vorgono zu parken und den Linienbus nach Corippo zu nehmen. Viele kleine, felsige Fusswege durchziehen Corippo. Auf schmalen, teils steilen Pfaden, oft begleitet von jungen Katzen erreicht man einen Brunnen oberhalb des Kirchturms. Bleiben Sie einfach einen Moment stehen und genießen Sie die Ruhe und das zwitschern der Vögel. Diese ursprüngliche Umgebung lässt  den normalen Alltag im Nu komplett verschwinden. Auf dem Rückweg sollten sie auch einen Blick in die kleine Kirche werfen und ein paar Fränkli da lassen.

Weiter geht es nach Lavertezzo, dem wahrscheinlich berühmtesten Ort des Tales. Am Ortsausgang sind bereits von weitem parkende Autos und Busse zu erkennen. Hier befindet sich die Ponte dei Saltie, auch Römerbrücke oder Brücke von Lavertezzo genannt. Bei schönem Wetter in den Sommermonaten ist das Tal meist sehr voll. Die Architektur der Brücke gepaart mit den vom smaragdfarbenen Wasser glatt geschliffenen Felsen erzeugen eine beeindruckende Landschaft. Die glatten warmen Steine werden von vielen Besuchern zum Sonnenbaden genutzt. Doch man sollte sich immer bewusst sein, dass diese wildromantische Landschaft sehr gefährlich ist. Die Strömung des Flusses ist so reißend, dass sie von Kajakfahrern zum Training genutzt wird. Am schönsten fand ich das Tal bisher bei bedecktem Himmel und leichtem Nebel. An diesen Tagen ist kaum Betrieb und man spürt die Magie der Region besonders deutlich. Fotografisch besonders reizvoll sind weitwinklige Aufnahmen von der Mitte des Flusses. Die Farben der Steine zusammen mit den feinen Linien und dem grünen Wasser erzeugen wunderschöne grafische Bilder.

Motta und danach Brione sind die nächsten Orte auf dem Weg nach Norden. Besonders Brione ist wunderschön und lädt zu einem kleinen Spaziergang ein. Nur wenige Kilometer weiter liegt Gerra, die ehemalige Wahlheimat der “Großmutter” aus dem deutschen Fernsehen. Viele ältere Leser, besonders aus dem Südwesten Deutschlands, können sich sicher an die Sendung “Was die Großmutter noch wusste” erinnern. Sonntags gegen 18:00 zeigten Kathrin Rüegg und Werner O. Feißt in einer besonders liebevollen Art, Tips, Tricks und leckere bodenständige Rezepte. Wir haben uns jeden Sonntag auf die Beiden gefreut.

Im kleinen Dörfchen Gerra hat Kathrin Rüegg bis 2009 einen kleinen Laden an der Hauptstraße betrieben. Hier konnten die Bücher, das aus der Sendung bekannte Geschirr und vieles anderes mehr gekauft werden. Ganz besonders war jedoch das Kastanienbrot. Relativ unbekannt ist dass Kathrin Rüegg in Wirklichkeit Doris Schmid hieß. 1971 entschied sie ihr Leben zu ändern und zog ins Tessin. Sie änderte Ihren Namen, begann zu schreiben und war Mitbegründer der o. g. Fernsehsendung. Schräg gegenüber dem “Lädeli” in Gerra liegt das mit viel Liebe umgebaute Rustici in dem auch einige TV Sendungen gedreht wurden. Nachdem Werner O. Feißt 2006 gestorben war, wurde die Sendung des SWR eingestellt. Kathrin Rüegg lebte noch weitere drei Jahren in Gerra. Nach einem schweren Sturz musste sie in ein Seniorenheim am Lago Maggiore umziehen. Pfingsten 2011 verstarb Kathrin Rüegg im Alter von 81 Jahren. Freunden zufolge schrieb sie bis kurz vor ihrem Tod an einer Autobiographie in der sie auch über ihr Leben als Doris Schmid erzählen wollte. Leider  reichte das von Ihr geschriebene Material nicht aus. Ihr Anwesen sollte eigentlich zu einer Gedenkstätte werden. Die Vermietung des Hauses führte jedoch scheinbar nicht um gewünschten Ergebnis. Die Geschwister haben das Haus Anfang 2013 verkauft. Auf dem Weg zum Grundstück wurde eine Gedenktafel angebracht. Mehr Informationen finden sich auf der weiterhin gepflegten Webseite http://www.kathrin-ruegg.de.

Wichtige Aktualisierung vom 06.09.2017!
Anfang September 2017, erhielt ich einen Brief von Frau Julia Schlanser, der Schwester von Kathrin Rüegg. Ich kann nicht beschreiben wie sehr mich diese Zeilen gefreut haben! Vielen Dank für Ihren Brief Frau Schlanser!

Weiter oben schrieb ich, dass das von Kathrin Rüegg bereits geschriebene Material nicht ausreichte. Dies ist so nicht ganz richtig. Die Altersbeschwerden liessen die Fertigstellung der Autobiografie zwar nicht zu, Kathrin Rüegg hatte jedoch bereits sehr viele Texte vorbereitet. In all ihren Büchern hat sie zudem Biografisches einfließen lassen. Diese Teile wurden in Kleinstarbeit von Kathrins Geschwistern und dem Autor des neuen Buches  „Katrin Rüegg, Der Traum vom einfachen Leben. Ein biografisches Portrait“ zusammengetragen und zu Papier gebracht.  Ich habe es selbst noch nicht gelesen, bin jedoch schon sehr gespannt darauf!

Auch zum Anwesen in Gerra gibt es Neuigkeiten. Das Haus und die Umgebung wurden von den neuen Besitzern liebevoll restauriert und es wird ganzjährig bewohnt. Es ist wieder das kleine Paradies mit Tieren und Pflanzen welches Kathrin Rüegg so sehr liebte.  Der neue Besitzer John Roomann ist ebenfalls Schriftsteller und hat sein Erstlingswerk „Krieg und Liebe des Soldaten Hansi“ im Frühjahr 2017 fertiggestellt.

Am Ende des Tals befindet sich Sonogno. Von hier geht es nur zu Fuß weiter. Am Ortseingang befindet sich ein großer gebührenpflichtiger Parkplatz mit kleinem Andenkenladen und öffentlicher Toilette. Hier ist die Landschaft hochalpin. Nichts ist mehr zu spüren von der nur 25 Kilometer entfernten Promenade in Locarno. Einige kleine Restaurants und Geschäfte laden zum schlendern ein und in den liebevoll gepflegten Gärten und Grundstücken kann man die ein oder andere Besonderheit finden.

Wie kommt man hin?

Von Lugano geht es über die A2 nach Norden in Richtung Bellinzona. Nach ca. 30 Kilometern verlässt man die Autobahn kurz vor Bellinzona und fährt durch die komplette Magadino Ebene weiter in Richtung Locarno. Im Berufsverkehr kommt es hier häufig zu Staus, da dies die Hauptverkehrsader zum Lago Maggiore ist. Kurz vor Locarno, immer den Schildern in Richtung Valle Verzasca folgen. Nach wenigen Kilometern führt die Straße schräg rechts hoch zum Taleingang. Das Valle Verzasca selbst ist ca. 25 Kilometer lang mit gut ausgebauter Straße. In den Sommermonaten, bei schönem Wetter ist das Tal ein sehr beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Einheimische. An diesen Tagen ist mit regem Verkehr und belegten Parkplätzen in den Orten zu rechnen. Die Straße selbst ist perfekt ausgebaut und breit genug. Einzig in den Dörfern kann es ab und an mal etwas eng werden. Den Talbesuch würde ich als Tagestour einordnen da es wirklich viel zu sehen gibt. Für die Rückfahrt nach Lugano nehmen wir meist den Weg per Bundesstraße über den Monte Ceneri.

Weiterführende Links:

Ferienhäuser im Valle Verzasca: http://www.valle-verzasca.ch/presentazione.asp